Geschätzte Paternosterfahrer,
die Sache mit dem Brexit hat wohl sehr viele auf dem falschen Fuß erwischt – um damit ein Bild aus dem Fußball zu bedienen. Aber wie’s kommt, so kommt’s, und manchmal kommt’s auch blöd, wie man weiß. Interessant dabei ist der Umstand, dass niemand einen Plan hat. – Außer meine Fleischhackerin in Wien-Favoriten.
Dorthin verschlägt es mich immer, wenn ich ein gutes Stück Rindfleisch zum Grillen benötige. Und bei der Fleischhackerin ist immer was los, ihre Kunden sind wahre Analytiker des Zeitgeists. Als ich mich am Ende der Schlange anstelle, fängt’s schon an. Die ältere grauhaarige Dame, die tagtäglich einige Zeit hier im Geschäft am Stehpult auf einem Hocker absitzt, blättert in „Österreich“ und sagt: „Nau, jetzt hamma auch bald ein Referendum wie die Briten.“ Der ältere Herr mit Krankenkassenbrille zwei Personen vor mir meldet sich zu Wort: „Dann kemma de Grenzen schließen und ham endlich a Ruah von de Ausländer!“
Die Dame hinter ihm sagt: „Jo, und des Geld, was mir jetzt an Brüssel zahlen, g’hört dann uns allein! Des wär doch super!“ Unbemerkt von mir hat sich hinter mir eine junge Frau mit einer metallischen Stimme eingereiht: „Dena Großkopferten in Brüssel, dena muass ma amoi de Hoar schneid’n.“ Da mischt sich wieder die ältere Dame mit der Zeitung ein: „Jeden a Frisur wia da Johnson?“ – Gekichere im Raum. Der Herr mit der dicken Brille sagt: „Brexit? Wia tatert des in Österreich haaß’n? Öxit oder Auxit?“ – Lautes Lachen im Raum. „Jetzt loch’n S’ no“, mischt sich die sympathische Fleischhackerin ein, „oba waun’s dann wirklich so weit is, wird’s nimma so lustig sein. Die Briten woll’n schon wieder z’ruckruadern.“ Da meint die ältere Dame am Stehpult: „Ausse, eine, ausse, eine, des geht ned. In Wien warat des a Wixit!“ – Lautes Gelächter.
Die Fleischhackerin: „Also wir haben ja einen Spezialisten im Geschäft.“ Sie schaut kurz von der Wurstmaschine auf und apostrophiert mich: „Herr Gekko, wie schaut des aus in Großbritannien?“ Alle blicken erstaunt auf mich. Ich reiße mich am Riemen und erkläre: „Na ja, die Währung rasselt in den Keller, hunderttausende Jobs werden vernichtet, internationale Firmen gehen weg, und die Briten stehen allein da in einer globalisierten Welt. Das Geld, das sie an Brüssel zahlen, ist minimal, wenn man sich die Kosten mit Brexit ansieht. Das spüren die Leut’ schon.“ – Stille im Raum.
„Was derf’s sonst noch sein, Herr Wrbala?“, fragt die Fleischhackerin den Kunden mit der Hornbrille. „An Baam sollt’ ma aufstöll’n gegen de Großkopfert’n in Brüssel. Wia’s in da Zeidung steht. – Geb’n S’ ma no a Bochhenderl.“ – „Gut, dass Sie das nun sagen“, werfe ich ein, „denn ich vergleiche die EU immer mit einem Baum, und die Äste sind die Mitgliedsstaaten. Im Fall vom Brexit haben ein paar Blätter den Briten ins Ohr gesäuselt, sie säßen auf einem viel schöneren Baum, die Briten haben nicht den Unterschied zwischen Baum und Ast gegoogelt und haben die Säge ausgepackt. Jetzt sind sie halt auf die Pappen gefallen, und einen Ast kann man nicht mehr ankleben.“ – Jetzt tritt Ruhe ein.
In diesem Sinne,
„Cash up!“
Der Börsianer