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Bank Austria-Demontage: Die Herren der roten Zahlen

Insider Nº196 / 15 26.11.2015 Kommentar

Geschätzte Paternosterfahrer,

in Zeiten des Terrors und der Unsicherheit besinnt man sich gern auf eigene Werte und Traditionen. Also nichts wie auf zum Reinthaler’s Beisl in der Gluckgasse in Wien gleich bei der Albertina, sag ich mir letztens und freu mich schon auf ein kleines Bier und ein Gulasch. Dabei kann ich ungestört die Zeitung lesen und ein wenig sinnieren. Der Kellner weist mir einen angestammten Platz vor dem gläsernen offenen Raumteiler zu, auf dessen Querbalken genau in der Mitte eine schöne, alte viereckige Uhr platziert ist. Da hab ich den Eingang im Blick, sitz trotzdem etwas abseits und bin in der Nähe der Schank.

Als ich den ersten Schluck von meinem Bier nehme, wird es plötzlich laut am Nebentisch hinter dem Raumteiler. Die Trennscheibe zwischen mir und meinen aufbrausenden Nachbarn ist milchig und mit geätzten Weinreben verziert, sodass Diskretion gegeben ist – ich erkenne also keines der fünf Gesichter, aber die Stimmen kommen mir bekannt vor. „Mit der Bankenabgabe habt ihr die Bank Austria abgewürgt, Hans Jörg, das sag ich dir!“, schallt es von drüben her. Eine sonore Stimme entgegnet: „Also wenn du mich fragst, Erich, hättet ihr in der Bank schon längst selbst was tun müssen und Anpassungen vornehmen, aber ihr habt euch nicht getraut, gegen die Gewerkschaft anzutreten. Jetzt habt ihr den Schlamassel. Was sagst du, Gerhard?“ – „Schuld war der Italiener, als er damals die riskanten Deals in der Ukraine und in Kasachstan eingefädelt hat, sag ich euch, der Italiener. Von diesen Übernahmen im Wilden Osten sind heute nur noch Ruinen geblieben.“ Ein Mann mit italienischem Akzent mischt sich ein: „Mamma mia! Warume sagst du immer so abschätzige ,der Italiener‘ zu mir, Gerhard, das klingte wie eine Mafiafilmtitel, verstehst du. Icke heiße Federico, Federico. Willibald, sag du auch etwas, der Gerhard beleidigt mich und meine Familie immerforte!“

Da setzt der Vierte ein: „Wer hat denn die Bank damals an die HVB verkauft, na, wer hat die Bank an die HVB verkauft?“ – „Der Randa war’s, der Randa war’s“, stimmen zwei der Herren gleichzeitig ein. Da schreitet der Kellner ein: „Meine Herren, bitte nicht so laut, wir haben im Hinterzimmer eine Trauergemeinde von einer Bank-Austria-Filiale. Ich muss Sie um etwas Rücksicht ersuchen.“ – Kurzzeitig tritt Stille ein. Die Tür öffnet sich, und ein „Augustin“-Verkäufer erscheint. Ohne Umschweife tritt er mit einem Stapel Zeitungen an mich heran und sagt in einem ausgesprochen höflichen Tonfall: „Verzeihen Sie, der Herr, wenn ich so unverschämt an Sie herantrete. Mit dem Kauf einer Zeitung unterstützen Sie einen mittellosen ehemaligen Bank-Austria-Mitarbeiter.“ Eine brenzlige Situation: Was wenn dieser Mann mit meinen Nachbarn zusammentrifft und sie als seine Bosse und Jobvernichter erkennt?

Ich schalte schnell. Um einen Eklat zu vermeiden, blicke ich ihn beherzt an und sage: „Geben Sie alle Zeitungen her, ich kauf Ihnen alle ab.“ – Der Mann sieht mich mit einem freudigen Lächeln an und sagt: „Sie wissen nicht, wie sehr Sie mir damit helfen. Herzlichen Dank. Man ist ja den Fehlern der Bankmanager und Politiker mit Kopf und Kragen hilflos ausgeliefert. Und dann schieben sie sich obendrein gegenseitig in aller Öffentlichkeit die Schuld zu. Alle miteinander, ob sie nun Cernko, Hampel, Randa, Ghizzoni oder Schelling heißen. Geschmacklos ist das. – Vom Nebentisch schallt es im Chor: „Zahlen, bitte!“

In diesem Sinne,

„Cash up!“

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