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Robert Holzmann: Virus, Virus, gib mir meinen Friseur wieder

Insider Nº171 / 20 23.4.2020 Kommentar

Geschätzte Paternosterfahrer,

ich sag’s, wie’s ist: Wir haben schon einmal mehr gelacht. Da taucht wie aus dem Nichts so ein kleines Virus auf und bringt alles durcheinander. Es stellt unser gesellschaftliches Leben komplett auf den Kopf, wir Menschen halten Distanz zueinander, misstrauen uns gegenseitig und jeder der uns begegnet, stellt plötzlich eine Gefahr dar. Dieses Coronavirus kratzt gehörig an der Oberfläche. Es stellt unser Wirtschaftssystem gehörig infrage und beschert uns binnen weniger Monate eine Rezession, wie wir sie seit den 1930er-Jahren nicht mehr erlebt haben. Die Folgen: Rekordarbeitslosigkeit, Unternehmen schlittern massenweise in Konkurs – und wir haben hunderte Tote zu beklagen.

Um dieser Endzeitstimmung zu entkommen, gehe ich frühmorgens spazieren – da kommt frische Luft in die Gehirnzellen und bläst die Trübsal fort. Letztens war ich auf dem Zentralfriedhof, um das Grab meines Vaters zu besuchen. Also marschiere ich gedankenverloren meines Weges, da erblicke ich in einiger Entfernung einen etwas älteren Mann mit langem, schlohweißem Haar, jedoch im feinen Zwirn allein auf weiter Flur auf einer Bank sitzend – eine sonderbare Erscheinung. Als ich näherkomme, traue ich meinen Augen nicht: Der Mann sieht aus wie der Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank. Er hat seinen Blick starr zu Boden gerichtet und scheint mich nicht zu bemerken. Neben ihm auf der Bank eine Schwechater-Dose. Ich bleibe in angemessenem Abstand stehen und erhebe skeptisch meine Stimme: „Robert, bist du es?“ – Da schaut er auf, seine Augen beginnen zu leuchten, und er sagt, beinahe erleichtert: „Gekko, wie gut, dass du kommst.“ – Ich sag: „Jetzt hätt ich dich beinah nicht erkannt, deine Frisur …“

Der Robert unterbricht mich: „Gekko, ich weiß nicht mehr weiter. Ich bin am Ende.“ – „Ja wieso denn?“, frag ich, „du lebst ja noch.“ – Der Robert ist außer sich, sein Kopf wird rot und er fleht: „Die Welt geht unter, merkst du denn das nicht! Gott hat uns verlassen! Das ist die Zerstörung der Schöpfung!“ – Ich schau ihn prüfend an: „Sagtest du in einem Zeitungsinterview nicht: die schöpferische Zerstörung?“ – Der Robert schüttelt den Kopf: „Da hab ich mich geirrt. Weiß auch nicht. Ein Irrsinn, das alles. Und die EZB pfeift auch auf mich!“ – Ich will den Robert beruhigen: „Ja freilich ist das eine schwere Prüfung. Es gibt sicherlich strauchelnde Betriebe, die nun aufgeben müssen, aber wir werden das schon hinkriegen …“

Da erhebt sich der Robert, streicht durch sein dichtes, langes weißes Haar, und sein Blick wird düster: „Aber mein Friseur! Mein Friseur hat geschlossen! Was soll ich nur tun? Das ist das Ende der Welt.“ – Ich entgegne ihm etwas verdattert: „Der Friseur ist deine einzige Sorge?“ – „Nein, aber ich kann mir ja selbst nicht die Haare schneiden, meiner Frau trau ich das nicht zu – und so kann ich doch unmöglich ins Büro! Was soll ich nur tun?“ – Ich denke kurz nach: „Die Friseure dürfen doch eh wieder aufsperren.“ – Der Robert nimmt den letzten Schluck aus der Dose und sagt verzweifelt: „Aber der Friseur meines Vertrauens ist ruiniert. Der ist futsch, für immer! Aus, Ende, comprende?“

Ich bin etwas ratlos. Da zerquetscht der Robert mit einer Hand die leere Bierdose, steckt sie in die Manteltasche, erhebt sich und schreit über die Gräber: „Virus, Virus, gib mir meinen Friseur wieder!“ – Ich schau ihn verdattert an. Er stellt seinen Kragen auf und murmelt noch: „Ein historisches Zitat.“ Dann wendet er sich ab und entfernt sich im Morgendunst.

In diesem Sinne,

„Cash up!“

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