© Daniel Scharinger, Picturedesk

Ich komm von Picasso: Pierer macht aus KTM-Motohall ein richtiges Museum

Insider Nº63 / 20 2.3.2020 Kommentar

Geschätzte Paternosterfahrer,

ich sage euch, manchmal erlebt man Dinge, die man selbst nicht glauben mag. Ich mach’s kurz: Am vergangenen Wochenende hatte es schon Temperaturen wie im Frühherbst, und meine Frau will an sonnigen freien Tagen immer etwas unternehmen. Also hole ich unseren olivgrünen MG MGA 1500, Baujahr 1959, aus der Garage. Anspringen tut er wie ein Glöckerl, was soll man sagen, britisch halt, und ab geht’s – oben ohne, wie der Automechaniker meines Vertrauens zu sagen pflegt – über die Stockerauer Autobahn mitten hinein in die Wachau.

Bei Emmersdorf stellen wir den Wagen ab. Danach folgt die obligatorische Wanderung bei großartigem diesigem Licht hinauf auf die Dachberg-Warte. Von dort oben hat man einen wunderbaren Ausblick über die sich dahinschlängelnde Donau und vor allem auf das prächtige Stift Melk diesseits des Flusses. Ich muss es gestehen, an diesem Ort ergreift mich jedes Mal aufs Neue eine inbrünstige Ehrfurcht vor der unschätzbaren Kulturarbeit, die diese genialen Benediktiner-Brüder in dieser paradiesischen Landschaft vor knapp einem Jahrtausend begonnen haben.

Oben angekommen, meine Frau ist immer voran, hält sie kurz inne und deutet mir, still zu sein. „Psst, da sitzt einer und malt“, flüstert sie mir zu, und wahrlich: Da sitzt einer im grauen Arbeitsmantel mit vom Wind etwas zerzaustem Haar vor einer riesigen Staffelei mit einer Ölfarbenpalette, starrt hinüber aufs Stift Melk und hält dabei hochkonzentriert mit ausgestrecktem Arm den Pinsel vor die Augen, offenbar die Landschaft oder das Motiv vermessend. Wir treten leise etwas näher. Auf der Leinwand sieht man ein schemenhaft dargestelltes Motorrad über einem blauen Faden schwebend vor einem grünen Knäuel. Meine Frau, die kunstverständige Nebenerwerbsgaleristin, beäugt das Werk mit ihrem skeptischen Blick. Nach kurzer Zeit zupft sie mich am Ärmel. „Wer bitte schleppt eine so große Leinwand da herauf, wenn er so gar nicht malen kann?“ Wir starren weiterhin auf das Werk, da muss ich mich räuspern, und der fremde Künstler bemerkt uns. Er dreht sich um – und ich glaub, mich trifft der Blitz, es ist der Stefan (Pierer), der berühmte Boss der KTM AG.

„Ja gütiger Himmel, Gekko, also mit dir hätte ich hier nicht gerechnet, nicht mit dir.“ Er wendet sich an meine Frau, sagt galant, „freut mich sehr, Gnädigste“, und deutet einen Handkuss an. „Darf ich euch mein neuestes Bild zeigen?“, sagt der Stefan und deutet auf sein farbenfrohes, aber doch etwas wirres Gekritzel. Meine Frau sagt höflich: „Daraus kann sicher noch etwas werden. Der gelbe Fleck da gefällt mir sehr gut.“ – Der Stefan blickt etwas verstört: „Okay, das Stift Melk muss also noch etwas deutlicher werden. Ich weiß.“ Ich schau den Stefan an, dann kurz meine Frau, dann wieder den Stefan: „Wusste gar nicht, dass du malst!“, sag ich, etwas peinlich berührt. Der Stefan kneift die Augen zu und spricht sehr bedächtig: „Weißt du, Gekko, ich hab ja erst heute damit begonnen. Und weißt, warum? Weil mir diese Banausen von der freien Kulturszene Oberösterreich, dieser Kupf, mein Museum neidig sind. Die haben mit einem Rechtsgutachten prüfen lassen, ob meine KTM-Motohall, mein selbstloses Geschenk an die Oberösterreicher, meine philanthropische Anstrengung zur kulturellen Aufwertung der Region als klassisches Museum anzusehen ist – und ob mir dafür auch die Förderung von 1,8 Millionen Euro aus dem Landeskulturbudget zusteht. Laut dem nun vorliegenden Gutachten ist das nicht der Fall, angeblich weil ausschließlich KTM-Motorradeln ausgestellt sind.

Da hab ich den Landeshauptmann, den Thomas Stelzer, gefragt, und der hat auch gemeint, dass zum Beispiel im Lentos in Linz meistens Bilder gezeigt werden und eher keine Motorräder. Da hab ich kurz nachgedacht: Okay, es müssen Bilder her, und zwar schnell. Aber woher? Ich kenn ja keine solchen Künstler. Also, was bleibt? Bilder selber malen. Warum nicht? Heute ist man ja schnell einmal Künstler. Die hänge ich mir ins Museum, und dann schauen wir uns an, ob das durchgeht oder nicht.“ – Ich schau auf das Bild, dann wieder zum Stefan: „Und du meinst, das ist gut genug?“ – Da erhebt der Stefan seine Stimme: „Also hör einmal, ich komme von Vermeer, von Rembrandt, von Picasso! Wir lachen. Da kreischen zwei Krähen auf einem der umstehenden Bäume laut auf, erheben sich mit kräftigem Flügelschlag in den diesigen Himmel und entschwinden im grellen Licht der Sonne.

In diesem Sinne,

„Cash up!“

Der Börsianer

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